Das Lachen löst, es verbindet, es befreit. In meiner Coachingpraxis gehört es genauso dazu wie Tränen, Zweifel und stille Ernsthaftigkeit. Wer lacht, atmet anders. Wer lacht, denkt anders. Und genau darum geht es im Coaching: neue Räume zu öffnen, Perspektiven zu verändern. Manchmal beginnt all das mit einem unerwarteten Lachen.
Was passiert beim Lachen, neurobiologisch betrachtet
Lachen ist ein zutiefst körperlicher und gleichzeitig hochkomplexer Vorgang. Es aktiviert Hirnareale, die für Emotionen, Bewertung und soziale Verbindung zuständig sind, unter anderem das limbische System und den präfrontalen Cortex. Gleichzeitig senkt es den Stresspegel, setzt Endorphine frei und fördert die Ausschüttung von Oxytocin, dem sogenannten Bindungshormon.
Für das Coaching bedeutet das: Wer lacht, entspannt sich nicht nur, sondern öffnet sich. Lernen, Umdenken und Verändern werden dadurch leichter möglich. Lachen macht unser Gehirn durchlässiger für neue Perspektiven.
Wissenschaftliche Studien belegen diese Effekte. So zeigt etwa Robert R. Provine in seiner Forschung, dass Lachen eine wichtige soziale Funktion erfüllt und Bindung stärkt. R. A. Martin beschreibt in seinem Werk The Psychology of Humor, dass Humor nicht nur Stress abbaut, sondern auch die Problemlösefähigkeit und kreative Denkprozesse fördert. Auch eine Metastudie von Cann und Kollegen kommt zu dem Schluss, dass humorvolle Interventionen in der Psychotherapie die therapeutische Beziehung vertiefen und den Zugang zu Ressourcen erleichtern können.
Humor ist keine Flucht, sondern ein Zugang
Lachen bedeutet nicht, sich aus dem Staub zu machen. Es bedeutet oft, dass etwas durchbrochen wurde. Ein Muster, ein festgefahrener Gedanke, eine innere Anklage.
Wenn eine Klientin plötzlich über ihre eigene Perfektion lacht und sagt: Ich benehme mich manchmal wie meine eigene Chefin aus der Hölle, dann ist das keine Vermeidung. Es ist Erkenntnis. Und vor allem: Es ist der erste Schritt, um es anders zu machen.
Lachen kann hier wie ein Blitzlicht wirken. Kurz, hell, klärend. Nicht oberflächlich, sondern entlarvend. Wer lacht, steht oft ein Stückchen ehrlicher vor sich selbst.
Lachen als Perspektivwechsel, systemisch gedacht
Im systemischen Coaching gilt: Jede Geschichte lässt sich anders erzählen. Und manchmal reicht ein einziges Bild, um den Blick zu verändern.
Ein Klient erzählt mir, wie hilflos er sich fühlt, wenn er versucht, es allen recht zu machen. Im Gespräch entsteht das Bild eines Menschen, der sich ständig selbst überholt, um an jeder Kreuzung gleichzeitig anzukommen. Wir müssen beide lachen. Nicht, weil es lächerlich ist, sondern weil sichtbar wird, wie absurd und anstrengend das eigene Muster ist.
Verschiedene Formen von Humor wirken hier unterschiedlich. Selbstironischer Humor kann Distanz zum eigenen inneren Antreiber schaffen. Verbindender Humor, etwa das gemeinsame Lachen über alltägliche Stolpersteine, stärkt die Beziehung. Und ja, auch schwarzer Humor kann im Coaching Platz haben. Dann, wenn die Welt so absurd erscheint, dass nur das Lachen einen Raum schafft, in dem alles ausgehalten werden darf. Entscheidend ist immer: Humor darf verbinden, niemals verletzen.
Lachen darf Raum haben, auch im Schmerz
Viele kommen mit schwerem Gepäck ins Coaching. Verluste, Erschöpfung, ungelöste Konflikte. In diesen Momenten wirkt Lachen manchmal fehl am Platz. Und ist doch oft das, was überhaupt wieder Bewegung bringt.
Ein befreiendes Lachen kann Spannung lösen, eine lähmende Stille aufbrechen, Selbstmitgefühl ermöglichen. Viktor Frankl nannte das den trotzmachtigen Humor. Eine Form innerer Freiheit, die sich nicht unterwerfen lässt. In meiner Arbeit bedeutet das: Lachen kann auch ein Zeichen von Würde sein. Und von Überlebenskunst.
Wenn das Lachen schwierig wird. Sprachhürden und kulturelle Unterschiede
Doch das Lachen ist kein Garant. In meiner Arbeit mit Menschen, die eine Migrationsgeschichte mitbringen, sehe ich immer wieder: Wo Sprache zur Barriere wird, geht oft auch Humor verloren.
Nicht, weil das Gegenüber keinen Humor hätte, sondern weil so viel Humor über sprachliche Feinheiten funktioniert. Ironie, Doppeldeutigkeiten, kulturelle Anspielungen. All das setzt voraus, dass man die Sprache nicht nur versteht, sondern auch spürt.
Wenn ich merke, dass ein Satz, der sonst Leichtigkeit bringt, verpufft, weil er nicht ankommt, macht mich das demütig. Und aufmerksam. Dann wechsle ich den Kanal. Arbeite mehr mit Bildern, Körperhaltungen, mit Humor in der Mimik oder mit kleinen, gemeinsamen Beobachtungen. Manchmal reicht schon ein schiefes Grinsen über die deutsche Bürokratie, um Verbundenheit herzustellen.
Lachen braucht Raum und Zugänglichkeit. Und ich frage mich immer wieder: Wie kann ich diesen Raum öffnen, wenn er nicht von selbst da ist?
Grenzen von Humor im Coaching
Humor ist eine Kraft. Aber keine Allzweckwaffe. Es gibt Situationen, in denen Lachen nicht trägt, sondern kippt. Wenn etwa Humor als Ablenkung dient, um unangenehmen Gefühlen auszuweichen. Oder wenn ein Witz nicht trifft, sondern verletzt.
Gerade bei Menschen in akuten Krisen oder mit traumatischen Erfahrungen braucht es Fingerspitzengefühl. Ein falscher Ton, ein unpassender Kommentar, und der Kontakt ist weg. Deshalb gilt für mich: Humor darf nie auf Kosten des Gegenübers gehen. Und lieber einmal zu wenig lachen als einmal zu viel.
Meine Haltung. Lachen gehört dazu
Ich bin keine Komikerin und Coaching ist keine Unterhaltung. Aber ich bin überzeugt: Lachen ist ein zutiefst menschlicher Prozess. Es zeigt Verbindung, Selbstwirksamkeit und Lebendigkeit. Und es hilft, die Dinge leichter zu tragen, die zu schwer geworden sind.
Das bedeutet für mich nicht, dass ich in jeder Sitzung mit einem Scherz aufwarte. Es heißt vielmehr: Ich halte Raum dafür. Ich stoße das Lachen nicht weg, wenn es kommt. Und ich weiß, dass es manchmal tiefer wirkt als jedes kluge Wort.
Ich nehme Humor ernst. Und ich nehme mein Gegenüber ernst. Das ist kein Widerspruch. Das ist Coaching.
Drei Dinge, die ich über Humor im Coaching gelernt habe
Humor im Coaching ist nichts, was ich einsetze. Es ist eher etwas, das sich zeigt. Oder eben nicht. Trotzdem gibt es ein paar Dinge, auf die ich inzwischen achte. Nicht aus Lehrbuch, sondern weil ich es so erlebt habe:
Erstens:
Ich beobachte genau. Wenn ich das Gefühl habe, da ist gerade ein bisschen Luft im Raum, dann darf auch mal ein Lachen Platz nehmen. Aber wenn jemand tief in einem Thema steckt, dann bleibt mein inneres Clownskostüm im Schrank.
Zweitens:
Ich lasse mich selbst nicht außen vor. Kleine Patzer, ein verschusselter Gedanke, ein seltsames Wort. Ich teile das, wenn es passt. Nicht um mich in den Vordergrund zu spielen, sondern um zu zeigen: Ich bin auch nur ein Mensch mit Stolperstellen.
Drittens:
Ich frage mich immer wieder: Bringt dieser Moment gerade wirklich Erleichterung oder lenkt er nur ab? Manchmal ist Lachen ein Türöffner. Und manchmal ist es einfach ein Fluchtweg. Ich versuche zu spüren, was gerade gebraucht wird.
Fazit
Lachen im Coaching ist kein Nebenschauplatz. Es ist eine Ressource, ein Beziehungsangebot, ein Moment der Nähe und der Verbindung. Es braucht Achtsamkeit, es braucht Raum. Und manchmal auch Mut. Nicht jedes Coaching braucht Humor. Aber jedes Coaching darf ihn haben.
„Einfacher wird es nicht (aber vielleicht schöner)“ ist ein Buch mit Gedanken aus dem echten Leben – pointiert, manchmal schräg, manchmal ernst. Und natürlich mit den Vierhaaren, die das alles aufs Wesentliche runterbrechen. Es geht um das, was uns beschäftigt, ohne dass wir immer drüber sprechen. Um Alltag, Zweifel und die Frage, wie man dem Leben mit ein bisschen mehr Klarheit begegnet.
Wenn dich interessiert, wie das Buch entstanden ist – ganz ohne Plan, aber mit viel Sturheit – dann kommt hier die Geschichte dahinter: Einfacher wird es nicht (aber vielleicht schöner): Wie mein Skript den Weg aus der Schublade fand – und nicht zurückdurfte
[…] Lachen im Coaching. Warum Humor mehr ist als ein netter Moment. […]