Jeder kennt das Bild vom Laufrad. Du rennst und rennst, kommst aber niemals an. Das ist wirklich frustrierend. Ähnlich verhält es sich mit dem Perfektionismus, wo das Streben nach dem Unerreichbaren zur Lebensaufgabe wird. Es lohnt sich, den Perfektionismus mal unter die Lupe zu nehmen, vielleicht kann er dann ein bisschen von seinem Mythos verlieren.

Was bedeutet eigentlich „perfekt“?

Bevor wir tiefer eintauchen, lass uns einen Moment innehalten und das Wort „perfekt“ unter die Lupe nehmen. Laut Duden bedeutet perfekt „so beschaffen, dass es nicht besser sein könnte; vollkommen“. Hier können wir einhaken: „nicht besser sein könnte“? Das ist nicht nur ein hoher Anspruch, sondern wirft auch eine spannende Frage auf:

Wenn etwas perfekt ist, ist es dann nicht auch gleichzeitig … abgeschlossen? Tot sogar? Denk mal darüber nach: Wenn etwas wirklich perfekt ist, gibt es keinen Raum mehr für Verbesserung, keine Möglichkeit zur Weiterentwicklung. Es ist, als würdest du den Gipfel eines Berges erreichen, nur um festzustellen, dass es nirgendwo mehr hingeht. Kein weiterer Aufstieg möglich, keine neue Aussicht zu entdecken. Perfekt – und damit irgendwie… fertig.

Ist das nicht ein bisschen beängstigend? Dort, wo wir ständig nach Wachstum und Fortschritt streben, klingt „Perfektion“ plötzlich wie eine Sackgasse. Denn wenn du weitermachen würdest, wäre es ja nicht mehr perfekt, oder?

Diese Perspektive wirft ein ganz neues Licht auf unser Streben nach Perfektion. Vielleicht ist es gar nicht erstrebenswert, „perfekt“ zu sein. Vielleicht liegt die wahre Schönheit – und das wahre Leben – in der ständigen Veränderung, im Lernen, im Wachsen. In all den wunderbaren Unvollkommenheiten, die uns menschlich machen.

Die dunkle Seite der Perfektion: Wenn gut nicht gut genug ist

Mag „Perfektion“ noch ein erstrebenswertes und vielleicht auch motivierendes Ziel sein, verhält es sich mit dem Perfektionismus anders. Perfektionismus ist das, wo Perfektion ins Ungesunde kippen kann.

Was sagt Wikipedia dazu?  Perfektionismus ist ein Persönlichkeitsmerkmal, das in erster Linie durch sehr hohe Maßstäbe, einer Rigidität der Maßstäbe und einem leistungsabhängigen Selbstwert charakterisiert ist.[1] Abzugrenzen ist Perfektionismus von hoher Gewissenhaftigkeit.[2] Das Streben nach Perfektion bringt den Menschen zu guten Leistungen. Ist es aber vor allem durch Angst motiviert, kann es umschwenken in den pathologischen Perfektionismus. Dieser kann das Leben hemmen und die Person an der eigenen Entfaltung hindern. 

Stell dir vor, du hast deinen eigenen kleinen Perfektionismus-Teufel auf deiner Schulter, der bei jeder Gelegenheit flüstert: „Das hättest du besser machen können.“ Dadurch entsteht Stress und das unangenehme Gefühl, dauerhaft im Defizit zu leben.  Wenn du dann irgendwann fertig bist, dann bist auch du fertig, das ist sicher.

Die Geburt des Perfektionismus: Es ist kompliziert

Wie wird man zum perfektionistischen Menschen? Nun, es ist eine Mischung aus Naturtalent und jahrelangem Training. Vielleicht hattest du Erziehungsberechtigte, die bei einer Note von 99% fragten: „Und was ist mit dem einen Prozent?“ Oder du hast in der Schule gelernt, dass nur absolute Perfektion vor dem Spott der Mitschülerschaft schützt. Wie auch immer es passiert ist, irgendwann hast du beschlossen, dass „gut genug“ für dich nicht gut genug ist.

Der Ausweg aus dem Perfektionismus-Labyrinth

Und nun?  Hier sind ein paar Tipps, wie du ausbrechen kannst – und dabei vielleicht sogar ein bisschen Spaß hast:

1. Setze realistische Ziele: „Ich werde der beste Mensch aller Zeiten sein“, versuch es mal mit „Ich werde heute nur einmal den Müll rausbringen, ohne die Tüte dreimal neu zu sortieren“.

2. Übe Selbstmitgefühl: Behandle dich selbst so, wie du deine besten Freunde behandeln würdest. Würdest du zu deinen Freunden sagen: „Dein Leben ist echt Mist, weil du beim Brotschneiden die Scheiben nicht exakt gleich dick gemacht hast“? Hoffentlich nicht.

3. Erkenne kleine Fortschritte an: Du hast es geschafft, pünktlich zur Arbeit zu kommen, ohne den Verkehr zu optimieren oder eine Zeitmaschine zu erfinden? Das ist ein Erfolg!

4. Fokussiere dich auf den Prozess: Das Leben ist wie eine Achterbahnfahrt – es geht um die Erfahrung unterwegs, nicht darum, am Ende perfekt frisiert auszusteigen.

5. Lerne „Nein“ zu sagen: Nein, du musst nicht den Geburtstagskuchen für das Haustier deiner Nachbarschaft backen. Es sei denn, du willst. Aber dann bitte ohne nächtliche Backsession zur Perfektion.

6. Suche Unterstützung: Manchmal hilft es, mit jemandem zu reden, der nicht in deinem Kopf lebt. Coaches sind großartig darin, dir zu zeigen, dass die Welt nicht untergeht, wenn du mal die Spülmaschine nicht perfekt einräumst.

Die Illusion der Perfektion und das „Gut genug“

Die Wahrheit über Perfektion ist komplex. Einerseits scheint sie wie ein unerreichbarer Gipfel – je näher wir zu kommen glauben, desto weiter entfernt sie sich, wie ein Horizont, den wir nie erreichen. Andererseits, wenn wir sie theoretisch erreichen würden, wäre es das Ende unserer Reise – ein Zustand ohne Wachstum oder Verbesserung.

Diese Paradoxie zeigt uns: Perfektion ist nicht nur eine Illusion, sondern auch ein problematisches Ziel. Stattdessen könnten wir uns auf etwas viel Wertvolleres konzentrieren: das erleichternde „Gut genug“.

„Gut genug“ bedeutet nicht, dass wir aufhören uns zu verbessern. Es bedeutet, dass wir den Wert unserer Bemühungen anerkennen, ohne uns von einem unerreichbaren Standard lähmen zu lassen. Es erlaubt uns, Fortschritte wahrzunehmen, aus Fehlern zu lernen und weiterzuwachsen, ohne das Gefühl zu haben, wir hätten einen imaginären Gipfel erreicht, von dem es kein Weiterkommen gibt.

Stell dir vor, Leonardo da Vinci hätte die Mona Lisa nie vollendet, weil er immer noch an ihrem Lächeln herumgepfuscht hätte, in dem Versuch, es „perfekt“ zu machen. Das wäre ganz schön schade!

Die Kunst des „Gut genug“ zu meistern bedeutet, den Prozess zu akzeptieren, deine Fortschritte anzuerkennen und gleichzeitig offen für Verbesserungen zu bleiben. Es ist ein Weg, der nie endet, aber auf dem jeder Schritt zählt und zur persönlichen Entwicklung beiträgt.

Das Fazit: Umarme das Unperfekte!

Höre auf, nach dem Unerreichbaren zu streben. Umarme das Chaos, akzeptiere deine Fehler und lerne, über deine Unvollkommenheiten auch mal laut zu lachen. Denn am Ende des Tages sind es genau diese „Makel“, die dich einzigartig und menschlich machen.

Also, das nächste Mal, wenn dein innerer Perfektionist sich meldet, sag ihm freundlich, aber bestimmt: „Danke für deine Meinung, aber ich bin gerade damit beschäftigt, unvollkommen glücklich zu sein.“

Und wer weiß? Vielleicht findest du heraus, dass das Leben viel mehr Tiefe und Bedeutung hat, wenn du nicht versuchst, es zu perfektionieren. Immerhin ist Perfektion statisch – und wer möchte schon in einem Zustand verharren, in dem es keine Entwicklung mehr gibt?

Vergiss nicht: Perfekt zu sein bedeutet, dass es nicht besser sein könnte. Aber ist nicht gerade das Streben nach Verbesserung das, was uns menschlich macht? Also, lieber menschlich als perfekt – es ist viel interessanter und erfüllender!

 

Hast du Fragen oder möchtest du einen Termin für dich und deinen inneren Perfektionisten vereinbaren?