Frau präsentiert Kuchen

Früher war alles besser!

Jeden Tag ploppen in meinem Instagram-Feed Beiträge von jungen Frauen auf, die sich den Kopf darüber zerbrechen, ob sie zu sehr in ihrer „männlichen Energie“ stecken, während sie sich sehnlichst wünschen, ihren Alltag im sanften Strom der „weiblichen Energie“ zu meistern.
Parallel dazu begegnen mir Männer – oft gar nicht so jung – die sich stolz als Alpha-Männer inszenieren und Frauen herbeisehnen, die angeblich meilenweit von jeder männlichen Energie entfernt sind. Mein erster Gedanke dazu: Häh? Woher kommen diese Konzepte plötzlich? Und was ist aus all den Jahren des Feminismus und der Emanzipation geworden? Ein genauerer Blick scheint mir dringend geboten.

 

 

Männliche vs. weibliche Energie: Ein alter Hut in neuem Gewand?

Auf die Frage nach der Essenz männlicher und weiblicher Energien lieferte ChatGPT charmante Antworten, die aus einem Märchenbuch stammen könnten: Intuition, Empathie und Kreativität auf der einen Seite, Stärke, Entschlossenheit und Logik auf der anderen. Doch was passiert, wenn wir diese Zuschreibungen kritisch betrachten? Rutschen wir nicht unweigerlich zurück in ein Zeitalter, das von Brüder Grimm’schen Rollenbildern geprägt war? Eine Zeit, in der das Patriarchat bei der Vorstellung von fügsamen Frauen und starken Männern in Jubel ausbrach?

Die Dominanz männlicher Perspektiven in der Geschlechterdebatte

Es ist unübersehbar, dass die Geschlechterdiskussion von einer männlichen Sichtweise dominiert wird – ein Zustand, der nicht länger hingenommen werden kann. Diese einseitige Prägung der Debatte verstärkt traditionelle Rollenbilder und ignoriert die vielfältigen Stimmen und Erfahrungen, die außerhalb dieser engen Perspektive liegen. Es ist essenziell, dass wir uns von solch einer begrenzten Sichtweise lösen und eine geschlechterinklusive Diskussion führen, die alle Geschlechter und Identitäten berücksichtigt. Dabei muss klar sein, dass sich Männer von alten Privilegien lösen müssen, um eine Veränderung zu bewirken.

Mann im Anzug kommt nach der Arbeit nach Hause

Die guten alten Zeiten!

Die Geschlechterdebatte des 21. Jahrhunderts: Ein Schritt vor, zwei Schritte zurück?

Es scheint, als wären wir in eine Zeit zurückkatapultiert worden, in der Frauen sich nur zwei Fragen stellen sollten: „Was ziehe ich an?“ und „Was koche ich heute?“ – ein Rollenbild, das wir doch längst überwunden glaubten. Stattdessen finden wir uns in einer Genderdebatte wieder, die zu absurden Diskussionen und Hasswellen führt, während sich manche Frauen als „Trad-Wives“ inszenieren, einem Lebensmodell nachgehen, das tief in überholten Werten verankert ist, aber für sie als Option erst durch den Feminismus ermöglicht wird.

Mein Plädoyer für eine geschlechterinklusive Zukunft

Meiner Meinung nach sollten wir die merkwürdige Trennung in männliche und weibliche Energien überwinden und stattdessen eine Gesellschaft anstreben, die dem Menschen Respekt zollt und Rollen nach individuellen Fähigkeiten, nicht nach überholten Geschlechterstereotypen, zuweist. Es ist höchste Zeit, dass wir alle Klischees über Bord werfen und uns für eine Welt einsetzen, in der jeder und jede nach eigenen Vorstellungen glücklich werden kann – unabhängig von Geschlechterrollen und -zuweisungen.

In einer Zeit, in der junge Frauen sich auf traditionelle Werte berufen und Männer in Podcasts über körperliche Überlegenheit philosophieren, müssen wir lauter und selbstbewusster denn je für eine Gesellschaft eintreten, die Vielfalt und individuelle Freiheit wirklich wertschätzt und die schützt, die Schutz brauchen. Wir müssen uns trauen, Dinge beim Namen zu nennen und nicht aus einem Femizid ein Beziehungsdrama machen.

Wir dürfen nicht zulassen, dass eine vorwiegend männliche Perspektive weiterhin die Richtung der Geschlechterdiskussion bestimmt und somit zu einer Fortschreibung der bestehenden Missstände führt. Stattdessen sollten wir eine geschlechterinklusive Diskussion fördern, die alle Stimmen und Erfahrungen wertschätzt und respektiert.

Fazit

Die Errungenschaften des Feminismus – hart erkämpfte Siege für Gleichberechtigung und Freiheit – dürfen nicht durch eine Wiederbelebung restriktiver und überkommener Rollenbilder gefährdet werden. Es ist an der Zeit, mutig und entschlossen für eine Zukunft zu kämpfen, in der die Begriffe „männlich“ und „weiblich“ nicht mehr als starre Schubladen fungieren, die unser Denken und Handeln begrenzen. Sie sollten vielmehr als Facetten eines vielfältigen und reichen Spektrums menschlicher Existenz verstanden werden, die unsere individuelle Einzigartigkeit bereichern, aber nicht definieren.

Dabei dürfen wir den körperlichen Unterschied zwischen den Geschlechtern nicht ignorieren. Die Anerkennung dieser Unterschiede ist essenziell, nicht nur im Kontext biologischer und medizinischer Forschung, wo jahrelang wichtige Erkenntnisse teils übersehen oder missachtet wurden. Es ist entscheidend, diese Unterschiede in einer Art und Weise zu berücksichtigen, die den Respekt vor jedem Individuum und seiner einzigartigen Identität in den Vordergrund stellt.

Gleichzeitig müssen wir die sozial konstruierten Aspekte der Geschlechtszuschreibung hinterfragen und auflösen. Dies ist der Schlüssel, um eine wirklich gerechte und inklusive Gesellschaft zu schaffen, in der jedes Individuum die Freiheit hat, sich ohne die Fesseln überholter Stereotypen zu entfalten. Indem wir die starren Grenzen der Geschlechterrollen aufbrechen, öffnen wir den Raum für eine wirkliche Vielfalt.

Das Ziel muss es sein, eine Welt zu gestalten, in der die Würde und die Rechte jedes Menschen anerkannt und geschützt werden, unabhängig von  Geschlecht oder Identität. Eine Welt, in der jede und jeder die Möglichkeit hat, das eigene Potenzial voll zu entfalten und ein erfülltes, authentisches Leben zu führen.