Zweckoptimismus vs. Zweckpessimismus – und warum toxische Positivität etwas ganz anderes ist

Eine Vierhaar Figur steht lächelnd in der Mitte. In ihrer linken Hand hält sie einen roten Minuspunkt, in ihrer rechten Hand einen grünen Pluspunkt. Die Darstellung symbolisiert die Wahl zwischen negativer und positiver Erwartung.

Wenn Erwartungen unsere Richtung bestimmen

Es gibt diese Momente, in denen wir uns bewusst entscheiden, die Lage günstiger einzuschätzen, als sie sich eigentlich anfühlt. Nicht aus Naivität, sondern weil wir wissen, dass wir sonst überhaupt nicht anfangen würden. Gleichzeitig gibt es die anderen Momente, in denen wir die Erwartungen absichtlich herunterfahren. Nicht, weil alles hoffnungslos wäre, sondern weil wir uns innerlich vor Enttäuschung schützen wollen.

Beides sind funktionale Strategien. Und beide wirken tief in unser Denken hinein. Sinnvoll wird es erst, wenn man erkennt, welche Haltung man wann nutzt und warum. Genau darum geht es hier.

Was Zweckoptimismus wirklich bedeutet

Zweckoptimismus ist keine rosarote Sicht. Er ist eine Entscheidung. Man nimmt eine positive Erwartung ein, um in Aktion zu kommen. Es geht um Handlungsfähigkeit, nicht um das Versprechen eines guten Ausgangs.

Neurologisch lässt sich das gut einordnen. Wenn das Gehirn eine Chance sieht, schaltet es um. Der präfrontale Cortex arbeitet aktiver, die Amygdala fährt etwas herunter. Dadurch entsteht mehr Fokus und mehr Zugriff auf eigene Ressourcen. Kurz gesagt: Ein mögliches „Es könnte klappen“ öffnet den Weg zu Annäherung und Motivation.

Zweckoptimismus ist ein Werkzeug. Kein Glaubenssatz.

Was Zweckpessimismus ist und warum auch er eine Funktion hat

Zweckpessimismus verfolgt ein anderes Ziel. Hier geht es um Schutz und Kontrolle. Menschen dämpfen bewusst ihre Erwartungen, um das Risiko emotional abzufedern. Dieser Mechanismus ist alt und tief im Nervensystem verankert.

Neurologisch wird die Wachsamkeit erhöht, Noradrenalin steigt an, das System prüft intensiver auf Gefahren. Wahrnehmung verengt sich, Entscheidungen werden vorsichtiger. Das kann sinnvoll sein. Gerade dann, wenn reale Risiken im Raum stehen und ein offener Optimismus mehr schaden als nutzen würde.

Zweckpessimismus ist also kein Defizit. Er ist ein Sicherheitsinstrument.

Der zentrale Unterschied: Öffnen oder schützen

Wenn man beide Haltungen nebeneinanderlegt, wird der Mechanismus deutlich:
Zweckoptimismus öffnet.
Zweckpessimismus schützt.

Beides ist legitim. Entscheidend ist die Passung zur Situation. Wer sich gerade auf unbekanntes Terrain begibt, braucht Bewegung. Wer einen möglichen Schaden abwägen muss, braucht Vorsicht. Die Kunst liegt darin, die Haltung bewusst zu wählen statt automatisch abzuspulen.

Warum toxische Positivität hier nicht dazu gehört

Toxische Positivität ist keine Haltung, sondern eine Vermeidungstaktik. Sie verlangt, dass alles gut ist, unabhängig von der Realität. Sie blendet Schmerz aus, entwertet Zweifel und zwingt Menschen in ein künstliches Funktionieren. Die damit verbundene Botschaft: Negative Gefühle sind unerwünscht und müssen weg.

Das ist das Gegenteil von zweckoptimistischem Denken.
Der Zweckoptimismus sagt: Ich sehe die Lage, ich wähle die Perspektive, die mich handlungsfähig macht.
Die toxische Positivität sagt: Die Lage darf nicht schlecht sein, sonst halte ich es nicht aus.

Der Unterschied zeigt sich am deutlichsten in Sätzen:
„Es wird schon alles gut“ ist eine Verdrängung.
„Ich entscheide mich, die Chance zu sehen, weil es mir hilft, weiterzugehen“ ist eine reflektierte Wahl.

Toxische Positivität funktioniert nicht, weil sie das Nervensystem zwingt, Informationen zu ignorieren. Das erhöht Stress und blockiert echte Problemlösung. Zweckoptimismus funktioniert, weil er auf der Realität aufsetzt, aber auswählt, worauf man sich fokussiert.

Wo Zweckoptimismus sinnvoll ist

Es gibt Situationen, in denen Handlungsfähigkeit Vorrang hat. Beispiele:

  • bevorstehende Prüfungen oder Präsentationen

  • Veränderungsprozesse im Beruf

  • Gespräche, die Mut und innere Stabilität erfordern

  • gesundheitliche Themen mit offenem Ausgang

Hier hilft die aktivierende Wirkung von Dopamin. Das System schaltet in Richtung Annäherung. Man bleibt beweglich und kreativ.

Wo Zweckpessimismus die bessere Wahl ist

Zweckpessimismus hat klare Stärken:

  • Risikoanalysen

  • finanzielle Entscheidungen

  • gesundheitliche Abklärungen

  • Situationen mit realer Gefährdung

  • komplexe Planungen, bei denen Fehler teuer wären

Hier schützt der enge Fokus. Er verhindert Übermut und zwingt zu präziser Abwägung.

Neurologische Kurzfassung

  • Erwartungen steuern Wahrnehmung

  • Zweckoptimismus senkt Alarmreaktionen und erhöht Dopamin

  • Zweckpessimismus erhöht Wachsamkeit und Cortisol

  • toxische Positivität überdeckt Signale und erhöht langfristig Stress

Erwartungen sind kein Beiwerk. Sie sind ein Werkzeug zur Selbstregulation.

Orientierung statt Optimierung: die richtige Haltung finden

Es geht nicht um die perfekte Erwartung, sondern um die passende. Hilfreiche Leitfragen:

  • Brauche ich gerade Bewegung oder Schutz

  • Ist die Situation unklar oder gefährlich

  • Welche Haltung verschafft mir Zugriff auf meine Ressourcen

  • Was hilft mir, realistisch zu bleiben, ohne stecken zu bleiben

Realismus heißt nicht, alles neutral zu bewerten. Realismus heißt, die Lage zu sehen und die Haltung zu wählen, die sie bewältigbar macht.

Fazit: Wahlfreiheit ist die eigentliche Stärke

Zweckoptimismus und Zweckpessimismus sind Werkzeuge. Toxische Positivität ist eine Falle. Die Unterscheidung macht einen Unterschied. Wer die eigenen Erwartungen bewusst regulieren kann, gewinnt Handlungsspielraum. Und genau darum geht es: nicht darum, die Dinge schönzureden, sondern darum, sie zu gestalten.

Wenn du erkennen möchtest, wie deine Erwartungen dein Erleben und deine Entscheidungen beeinflussen, schauen wir uns das gemeinsam an. Im Klarplatz findest du Raum, um innere Haltungen bewusst zu wählen und wieder Zugang zu deiner eigenen Wirksamkeit zu bekommen. Buch dir gern einen Termin.

Claudia Stellmacher-Köthe, Coachin und Hypnose-Spezialistin

„Einfacher wird es nicht (aber vielleicht schöner)“ ist ein Buch mit Gedanken aus dem echten Leben – pointiert, manchmal schräg, manchmal ernst. Und natürlich mit den Vierhaaren, die das alles aufs Wesentliche runterbrechen. Es geht um das, was uns beschäftigt, ohne dass wir immer drüber sprechen. Um Alltag, Zweifel und die Frage, wie man dem Leben mit ein bisschen mehr Klarheit begegnet.

Wenn dich interessiert, wie das Buch entstanden ist – ganz ohne Plan, aber mit viel Sturheit – dann kommt hier die Geschichte dahinter: Einfacher wird es nicht (aber vielleicht schöner): Wie mein Skript den Weg aus der Schublade fand – und nicht zurückdurfte

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Hier kurz und offiziell: Über Claudia Stellmacher-Köthe

Claudia Stellmacher-Köthe ist Coachin und Hypnotiseurin und betreibt seit 2020 die Praxis Klarplatz in Hannover – einen geschützten Raum für alle, die mehr Sinn, Klarheit und Leichtigkeit in ihrem Leben suchen. Mit einem Diplom in Pädagogik und fundierten Weiterbildungen – darunter Hypnose Master Coachin, EMDR und Yager-Code – verbindet sie sinnorientiertes Coaching mit Hypnose, um Resilienz zu stärken, alte Muster zu lösen und persönliche Ziele zu erreichen. Ihr Ansatz ist ethisch, transparent und tiefgehend, dabei immer mit einer warmen, humorvollen und lösungsorientierten Haltung. Neben ihrer Arbeit als Coachin und Referentin inspiriert sie durch ihren Blog und ihr 2024 erschienenes Buch, das zur Selbstreflexion und Potenzialentfaltung einlädt.