Coaching ist ein persönlicher Prozess auf Augenhöhe mit meinen Coachees. Social Media können sehr persönlich sein.  Bloggen ist auch immer wieder persönlich und darauf bin ich schon einige Male angesprochen worden, dass es mutig sei, „solche“ Dinge im Internet zu teilen. Wenn ich etwas teile, dann mache ich mir dazu jedes Mal Gedanken, ob das angemessen ist oder nicht.

Vielleicht braucht es auch noch ein wenig familiären Hintergrund (Achtung, es wird persönlich), um sich dem Thema anzunähern.

Meine Eltern sind beide während des 2. Weltkrieges groß geworden und hatten ihre wilden Jahre im Nachkriegsdeutschland, in einer Zeit, als alle versuchten, zur Normalität zurückzukehren und alles auszublenden, was das Wirtschaftswunder in irgendeiner Weise in seinem Glanz ankratzen könnte. Die Deutschen waren ein Volk von Widerstandskämpfer in den Gräueln des Nationalsozialismus gewesen und ansonsten hatte man nichts gewusst, gehört, gesehen. Kurzum, eine Decke des Schweigens wurde über alles gebreitet, was nicht in die schöne neue Welt passen könnte.
Diese Einstellung hat sich auf die Inhalte, die besprochen wurden, ausgewirkt. Möglichst nichts Persönliches, Krankheiten waren ok, dafür konnte man ja in der Regel nichts.
Später, in der Zeit, als ich dann studierte, ging es auch darum, die Grenzen des Erzählbaren auszuloten, vielleicht auch ganz bewusst Tabubrüche zu begehen.  Zu heute gab es allerdings einen großen Unterschied: das Internet, dieses permanent mitlaufende Protokoll, das niemals vergisst, existierte noch nicht und so blieb Intimes und Privates in einem relativ überschaubaren Kreis.

Also ist die Aufgabe, eine Balance zu finden, zwischen dem Persönlichen, das uns eine andere Person greifbar macht und uns die Chance gibt, mit ihr in Resonanz zu gehen und dem Privaten, dem, was zu viel ist, zu persönlich, zu intim.

Persönlich vs. privat

Persönlich meint:

  • Erfahrungen, Gedanken und Überzeugungen aus der eigenen Perspektive teilen
  • Den Lesern/Klienten einen authentischen Einblick in die eigene Person gewähren
  • Beispiele und Anekdoten nutzen, um Identifikation und Verständnis zu schaffen
  • Die eigene Persönlichkeit und Menschlichkeit einbringen
  • Die nötige professionelle Distanz und Privatsphäre wahren

Privat hingegen bedeutet:

  • Sehr intime, sensible Details aus dem persönlichen Privatleben preisgeben
  • Informationen teilen, die eigentlich in den geschützten, vertraulichen Raum gehören
  • Dinge offenlegen wie Finanzen, Beziehungsprobleme, rechtliche Streitigkeiten etc.
  • Die Grenzen der Privatsphäre von sich selbst oder anderen überschreiten
  • Möglicherweise auf Kosten des Vertrauens und der Diskretion gehen

Der Schlüssel liegt darin, die richtige Dosierung zu finden. Persönlich genug sein, um Nähe, Vertrauen und Inspiration zu erzeugen. Aber nicht so privat, dass es die eigenen oder fremden Grenzen verletzt. Gelungene Selbstoffenbarung bedeutet, einen Mittelweg zwischen diesen beiden Polen zu finden. Manchmal sind die Grenzen ein wenig fließend und das Maß dessen, was ein „zu viel“ bedeutet, ist sehr individuell.

Konsequenzen der Grenzüberschreitung

Eine übertriebene Indiskretion und das Teilen zu vieler privater Details kann sowohl kurzfristig als auch langfristig gravierende Folgen haben. Hier sind einige Punkte, die man bedenken sollte:

Kurzfristige Konsequenzen:

  • Verletzung der Privatsphäre und des Vertrauens von Personen, über die private Details geteilt werden (Familie, Freunde, Klienten etc.)
  • Negative Kommentare, Kritik und Gegenreaktionen von Lesern/Followern, die die Grenzüberschreitung als unangemessen empfinden
  • Rechtliche Konsequenzen, wenn bestimmte sensible Daten ohne Erlaubnis veröffentlicht werden (z.B. von Arbeitgebern)
  • Beschämung und Peinlichkeit für den Blogger selbst, wenn im Nachhinein klar wird, dass zu viel preisgegeben wurde

Langfristige Konsequenzen:

  • Dauerhafte Verfügbarkeit der privaten Informationen im Internet, die nie mehr komplett gelöscht werden können
  • Schädigung des professionellen Rufes und der Glaubwürdigkeit als Coach, Berater oder in anderen Rollen
  • Potenzielle Auswirkungen auf die Familie, Freundschaften und den privaten Kreis aufgrund von übermäßiger Öffnung der Privatsphäre
  • Verlust der Fähigkeit, Grenzen zwischen beruflicher und privater Sphäre zu setzen
  • Erschwerter Neuanfang, da vergangene Indiskretionen immer wieder aufkommen können

Gerade im Internet können einmal geteilte private Informationen unkontrolliert und auf unabsehbare Zeit weiterverbreitet werden. Das Löschen ist meist unmöglich. Ein zu lockerer Umgang mit der eigenen und fremden Privatsphäre kann daher schwerwiegende und unabsehbare Folgen haben.

„No-Gos“: Worüber besser nicht sprechen oder schreiben?

Es ist wichtig zu wissen, welche Arten von persönlichen Details besser nicht geteilt werden sollten. Hier sind einige „No-Gos“:

Bei finanziellen Details sollte darauf verzichtet werden, genaue Gehaltsinformationen, detaillierte Angaben zu Vermögenswerten oder Schulden sowie Bankverbindungen oder Kontodaten zu veröffentlichen. Diese Informationen sind hochsensibel und können missbraucht werden.
Gesundheitliche Informationen sind ebenfalls privat. Details über Diagnosen oder spezifische Krankheitsbilder, insbesondere sensible Themen wie psychische Erkrankungen, sollten nicht öffentlich gemacht werden. Zudem ist die Weitergabe solcher Informationen oft rechtlich eingeschränkt, um die Privatsphäre der Betroffenen zu schützen.
In Bezug auf familiäre oder Beziehungsdetails ist es ratsam, Streitigkeiten, intime Probleme oder sehr private Informationen über Kinder und andere Familienmitglieder nicht zu teilen. Ebenso sollten potenziell rufschädigende Anekdoten über Ex-Partner vermieden werden. Dabei sollte es selbstverständlich sein, dass gerade und ganz besonders Kinder einen besonderen Schutz genießen.
Rechtliche Probleme, wie Details zu laufenden Gerichtsverfahren oder Informationen über kriminelle Handlungen oder Verhaftungen, sollten ebenfalls nicht öffentlich diskutiert werden, da sie rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen können.

Stark politische oder religiöse Ansichten, hauptsächlich, wenn sie extrem kontrovers oder radikal voreingenommen sind, können polarisieren und sollten mit Bedacht geteilt werden. Äußerungen, die als Hassrede oder Diskriminierung aufgefasst werden können, sollte man generell für sich behalten und überprüfen, warum man zu solchen Gedanken kommt und ob sie gesellschaftlich überhaupt eine Daseinsberechtigung haben. Meiner Meinung nach definitiv nicht!

Firmeninterne Informationen, besonders vertrauliche Unternehmensdaten oder Insiderinformationen über Produkte und Finanzen, die nicht freigegeben sind, sollten nicht außerhalb des Unternehmens geteilt werden.

Der Schwerpunkt des Blogs oder der beruflichen Kommunikation sollte auf hilfreichen Inhalten und Einsichten liegen, nicht auf reißerischen Enthüllungen. Es ist mit dem Schreiben wie mit dem Sprechen; immer sinnvoll vorher nachzudenken. Man kann sich einige Fragen zur Reflexion stellen, bevor man mit seinen Inhalten nach draußen geht.

Reflexionsmöglichkeit

Die folgenden Fragen können dabei helfen, Grenzüberschreitungen vom Persönlichen ins Private von vorneherein zu vermeiden:

  • Welche Teile meiner Geschichte/Erfahrung sind wirklich relevant für die Botschaft, die ich vermitteln möchte? Wo liegen die Kernpunkte?
  • Gibt es bestimmte Details, die ich für mich behalten sollte, da sie zu privat oder potenziell verletzend für mich oder andere sind?
  • Wie würde es mir gehen, wenn andere Menschen denselben Inhalt über mich teilen würden?
  • Würde ich diese persönliche Anekdote/Information auch in einem persönlichen Gespräch einer größeren Gruppe von Menschen erzählen?
  • Wie würde ich mich fühlen, wenn meine Familie/Freunde/Kollegen diese Informationen lesen würden?
  • Kann ich die Geschichte so umformulieren, dass die hilfreichen Einsichten erhalten bleiben, ohne zu viele private Details preiszugeben?
  • Habe ich bei Bedarf die Erlaubnis der betroffenen Personen eingeholt, über sie zu schreiben/sprechen?
  • Fühle ich mich insgesamt wohl und authentisch mit dem, was ich teile oder schäme ich mich im Nachhinein möglicherweise?
  • Wie kann ich persönliche Erfahrungen abstrahieren, um allgemeingültige Einsichten und Takeaways zu vermitteln?

Das regelmäßige Innehalten und kritische Hinterfragen des eigenen Schreibprozesses kann sehr hilfreich sein, um die richtige Tonalität zu finden. Mit der Zeit entwickelt man auch ein besseres Gespür dafür, was zu persönlich oder zu oberflächlich wirkt.

Seien wir persönlich!

Lasst uns den Mut haben, persönlich zu sein! In einer zunehmend unpersönlichen und digitalen Welt ist Authentizität ein wertvolles Gut. Durch das Teilen unserer persönlichen Perspektiven, Erfahrungen und Einsichten können wir einzigartige Verbindungen zu anderen Menschen aufbauen. Das Persönliche ist keine Bedrohung – ganz im Gegenteil: Es ist der Schlüssel zu Vertrauen, Inspiration und wirkungsvoller Kommunikation. Ob im Coaching, Blogging oder allen zwischenmenschlichen Interaktionen – Persönlichkeit stiftet Sinn und Relevanz.
Persönliche Erlebnisse und Anekdoten sind es, die Menschen berühren. Mit der richtigen Portion an Feingefühl und Respekt können wir persönlich sein, ohne die Privatsphäre zu verletzen. Authentizität muss nicht in Indiskretion münden.

Seien wir mutig genug, unsere eigene Stimme zu erheben und zu zeigen, wer wir sind. Persönlichkeit ist ein Geschenk, keine Schwäche. Also nutzen wir dieses Geschenk, um eine Verbindung zu anderen Menschen herzustellen, um in Resonanz zu gehen. Das Persönliche ist die Basis dafür.

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